Presseinfos „1 Jahr Tönnies-Lockdown“

Risiko: Problematische Mediennutzung

Digitale Medien gehören seit vielen Jahren als selbständiger Teil zu unserem Leben und sind gerade in dieser Zeit der Corona-Pandemie eine hilfreiche Ergänzung in unserem beruflichen und privaten Alltag. Das Arbeiten, Lernen, aber auch Freizeitgestaltung und Kontaktpflege zu Freunden und Verwandten wird derzeit vorrangig über das Internet durchgeführt, so dass die Mediennutzung insgesamt einen noch größeren Raum in unserem Leben einnimmt. Dies ist sicherlich zunächst einmal eher eine Chance, als ein Problem.

Dennoch stellt das Arbeiten und Lernen von zu Hause aus und der veränderte Tagesablauf durch die allgemeine Kontaktsperre viele Menschen vor große Herausforderung, denn der Tag muss überwiegend selbst strukturiert werden, bei gleichzeitigem Verzicht auf gewohnte Tätigkeiten und soziale Kontakte.

Dies erhöht die Gefahr, dass von einigen Menschen die virtuelle Welt als willkommene Ausgleichsmöglichkeit zu der fehlenden Alltagsstruktur, zur Bekämpfung von Langeweile oder Stress und zur Kompensation von nicht ausreichend befriedigten Bedürfnissen nach Anerkennung, Unterhaltung, Erfolg, Glücksgefühlen, Kommunikation, etc. in der realen Welt genutzt wird.

Auch zu Zeiten von Corona steht uns das Internet  jederzeit zur Verfügung  und bietet daher eine leichte Möglichkeit, mit wenig Aufwand, aber hoher Effektivität in eine attraktive Welt mit großem Unterhaltungswert, Selbstwirksamkeitserleben und Kommunikationsmöglichkeit, abzutauchen; eine Welt die mit zunehmender Nutzung auch eine enorme Bindungskraft entwickeln kann.

Insbesondere Kinder und Jugendliche, die noch nicht so gefestigt und selbstdiszipliniert sind, aber auch zahlreiche Erwachsene, die Schwierigkeiten haben, ihre Konsummuster zu regulieren, können in diesen Wochen daher möglicherweise ein übermäßiges und problematisches Nutzungsverhalten entwickeln.

Zahlreiche Eltern und Angehörige machen sich bereits Sorgen hinsichtlich des übermäßigen Medienkonsums ihrer Kinder oder Lebenspartner*innen. Dabei ist eine exzessive Mediennutzung  allein sicherlich noch kein Indiz für eine Suchtentwicklung, kann sich aber auf Dauer suchtbegünstigend auswirken, insbesondere dann, wenn das reale Leben nur eine geringe Stabilität, Lebenszufriedenheit und wenig Raum für die Befriedigung von Bedürfnissen und eine positive Identitätsentwicklung bietet.

Daher ist es aus Sicht der Suchtberatung ratsam, dass auch gerade jetzt Familien und jeder Erwachsene für sich auf einen kritischen und maßvollen Umgang hinsichtlich der Internetnutzung achtet und einen ausgewogenen Tagesablauf entwickelt, der einen möglichst angemessenen Ausgleich von Online- und Offline-Zeiten beinhaltet.

Hilfreich hierfür können folgende Tipps sein:

  • Feste und gewohnte Alltagsroutinen beibehalten oder auch neue installieren (wie z.B geregelte Essens-und Schlafenszeiten, Work-Outs, Telefonate mit Eltern und Verwandten)
  • Frühzeitig Tages- oder Wochenpläne erstellen, mit möglichst konkreten Zeitabläufen. Dabei kann es hilfreich sein, sich an bekannten Strukturen zu orientieren und erledigte Aufgaben und Verpflichtungen als visuellen Anreiz auf seinem Plan abzuhaken. Es ist jedoch wichtig, bei der Planung realistische Ansprüche an sich selbst zu stellen, auf Pausen zu achten, ein ausgewogenes Maß an Medienzeiten zuzulassen und die Offline-Zeiten möglichst mit Qualität und positiven Inhalten zu füllen, um die allgemeine Lebenszufriedenheit  zu bewahren (oder womöglich sogar zu steigern). Auch regelmäßige Kontaktpflege mit Freunden und Familie sollten ausreichend Raum finden.
  • Zusätzlich können als ergänzende Strukturhilfen  Apps auf Geräten installiert werden, die die Mediennutzung nach zeitlichen und inhaltlichen Aspekten und nach zuvor selbst definierten Kriterien automatisch begrenzt.
  • Innerhalb der Familien sollten feste  Familienzeiten gefunden werden, z.B. am Abend, oder am Wochenende für ein gemeinsames Erleben, Spaß und dadurch vielleicht auch wieder die Möglichkeit eines intensiveren familiären Zugehörigkeitserleben zu eröffnen.
  • Das derzeitige Gefühl aus dem Leben ausgebremst zu sein und entschleunigter zu leben, kann auch eine gute Gelegenheit dafür sein, das sogenannte  JOMO (Joy-of-missing-out) für sich neu zu entdecken. Die Freude daran, auch mal nicht überall dabei sein zu müssen, nicht alles mitzubekommen oder keine Bedenken zu haben, etwas zu verpassen, steckt hinter dieser Idee. Die partielle Abwesenheit (sei es aus dem sozialen, beruflichen oder auch virtuellen Leben) bewusst zu genießen und mal wieder mehr bei sich selbst und seinen eigenen Bedürfnissen zu sein ist eine Erfahrung, die wir in unserem bisherigen Alltag häufig vernachlässigen.
  • In der gewonnen Zeit mit sich selbst und den reduzierten sozialen Kontakten kann es auch gelingen  Neues auszuprobieren, sei es im kreativen, musischen oder anderen Bereichen, wie meditieren, kochen, lesen, etc . Dinge zu erleben, für die vermeintlich bisher die Zeit fehlte, können vielleicht sogar neue Perspektiven, auch langfristig für die Zeit nach der Pandemie eröffne.

Weitere Informationen zum Thema Internetsucht oder auch Selbsttests finden sich im Internet unter:

Menschen, die das Gefühl haben doch zu sehr in der virtuellen Welt abzutauchen und sich Sorgen um Ihren eigenen Medienkonsum oder den ihrer Angehörigen machen, können sich auch an Karola Hoffmann Alves von der Mediensprechstunde Upgrade! des Caritasverbandes für den Kreis Gütersloh wenden. Hier besteht die Möglichkeit zu klären, inwiefern sich eine problematische Mediennutzung oder möglicherweise eine Internetsucht entwickelt hat. Während der Corona-Pandemie bietet Upgrade! (zumindest telefonisch) Beratung und Hilfestellung an. Zu erreichen ist Frau Hoffmann Alves unter der Telefonnummer 05241/ 9940-70 oder unter der Email-Adresse hoffmann(at)caritas-guetersloh.de.

Karola Hoffmann- Alves