Presseinfos „1 Jahr Tönnies-Lockdown“

Kinder aus suchtbelasteten Familien während der Corona-Pandemie

Die Corona-Pandemie hat viele Risikogruppen. Neben denen, die besonders von dem Virus gefährdet sind, gehören einige Kinder und Jugendliche auch zu einer weiteren Risikogruppe, weil sie die Einschränkungen im Alltag besonders zu spüren bekommen: Kinder aus suchtbelasteten Familien.

Bereits der normale Familienalltag stellt sie auf eine harte Probe, da Eltern(teile) häufig überfordert sind und trotz Unterstützung von KiTa und Schule, Randstundenbetreuung, Jugendtreffs etc.sie  ihrer Erziehungsaufgabe nur bedingt nachkommen können. Nun kommen noch weitere ungünstige Rahmenbedingungen hinzu: Familien können durch Einschränkungen aufgrund von Corona verstärkt belastet sein und die Kinderbetreuung muss rund um die Uhr von Eltern alleine gewährleistet werden. Außerdem scheint es derzeit für Abhängige nur schwer möglich, an illegale Substanzen zu kommen und der Missbrauch von Alkohol nimmt zu. Dies kann bei Eltern mit einer Abhängigkeitsproblematik weiteren Stress und Suchtdruck auslösen und zu Aggressivität und emotionalen Ausbrüchen führen.

Nicola Bals und David Hoppe arbeiten als Berater*innen in der Sucht- und Drogenhilfe der Caritas im Kreis Gütersloh. Auch sie erleben, dass die Kontaktsperren dazu führen, dass diese Kinder derzeit noch viel schlechter gesehen werden können. „Alleine unsere Unterstützungsangebote für betroffene Eltern(teile) sind aufgrund von Corona stark eingeschränkt und meist nur telefonisch möglich“, beschreibt David Hoppe, seine Erfahrungen der letzten Wochen. „Jeder einzelne Mitarbeiter muss sich selbst neu organisieren, was eine Herausforderung für jeden von uns darstellt. Trotzdem versuchen wir gerade Klienten mit Kindern bzw. Familien im Blick zu haben.“ Dies beginnt für die Sucht- und Drogenberater*innen damit, die Klient*innen aktiv herauszufiltern, welche Kinder haben und diese zeitnah anzurufen. „Und wenn es dabei nur darum geht, nach dem aktuellen Befinden zu fragen und anzubieten, dass wir trotz der Krise für sie da sind.“

Da bei alkohol- und drogenabhängigen Menschen häufig die Substanz auch zur Stressverarbeitung eingesetzt wird, scheint es für Betroffene in der aktuellen Situation besonders notwendig und hilfreich, ihnen Unterstützung bei der Stressverarbeitung anzubieten – was wiederum auch ihren Kindern zugute kommt. Nicola Bals fasst einige einfache „Erste Hilfe- Tipps“ für Fachkräfte im sozialen und pädagogischen Bereich zusammen:

  1. Den Familien regelmäßige Telefonate anbieten bzw. diese mit ihnen absprechen. Diese psychosozialen Beratungsgespräche können eine erste Entlastung für betroffene Eltern(teile) darstellen.
  2. Sich mit Kollegen zu einer kollegialen Beratung verabreden und Rat einholen. Derzeit muss dies i.d.R. als Telefon- oder Videokonferenz erfolgen.
  3. Sollte sich aufgrund eines Telefonats eine mögliche Gefährdungssituation herausstellen, den vorgegebenen Ablaufplan bei möglicher Kindeswohlgefährdung berücksichtigen. Auch in Zeiten von Corona den Kindesschutz (§8a SGB VIII)  nicht vergessen!

Zwar schränkt Corona die gewohnten Unterstützungsmöglichkeiten für Fachkräfte massiv ein, jedoch gibt es weiterhin wirksame Angebote, die den Familien gemacht werden können.

  • Der gestressten Familie eine Tagesstruktur empfehlen bzw. mit ihnen eine Tagesstruktur erarbeiten (feste Essenszeiten Früh/ Mittag/ Abendessen etc. ).
  • Dazu auch konkrete Aktivitäten einplanen (Wer geht wann mit den Kindern vor die Tür?...)
  • Das Projekt Fit Kids hat einen Fragenkatalog zur Telefonberatung entwickelt, den sich Berater*innen gut neben das Telefon legen können (steht unten weiter zum Download bereit).
  • Gefühlt ist derzeit alles schwer und schlecht. Daher macht es Sinn, die Wahrnehmung einmal bewusst auf die „Glücksmomente“ im Leben zu richten. Dazu können verschiedene kleine "Aufträge" an Klient*innen telefonisch durchgegeben werden oder per Post zugeschickt werden. Eine Methode auch für andere Klient*innen (steht unten weiter zum Download bereit).
  • Selbst eine Liste erstellen (lassen) mit Dingen, die einem in der Coronazeit trotzdem gut tun (Was kann ich für mich tun, damit ich mich selbst entlaste?).
  • Eine einfache Checklisten mit Familien erarbeiten: Wie können sie die Isolation und Quarantäne gut überstehen?

Zusätzlich ist es für Fachkräfte auch ratsam, sich mit „spezialisierten“ anderen Einrichtungen im Kreisgebiet zu vernetzten. Der Flyer „Angebote für sucht - und psychisch belastete Eltern und deren Kinder“ (Kreis Gütersloh) ist dazu eine gute Orientierungshilfe. Die meisten Einrichtungen stehen weiterhin zur Verfügung, sind aber zeitlich nur eingeschränkt erreichbar oder können nur einen Teil ihrer Leistungen vorhalten:

  • Entgiftungsstationen nehmen unter gewissen Voraussetzungen auf,
  • Jugendämter sind weiterhin erreichbar,
  • auch die „NischE“ arbeitet weiter und
  • auch die Suchtambulanz im LWL-Klinkum Gütersloh ist weiterhin im Dienst (auch persönliche Termine sind möglich)

Auch Nicola Bals (bals(at)caritas-guetersloh.de) und David Hoppe (david.hoppe(at)caritas-guetersloh.de) und die anderen Kolleg*innen der Caritas Sucht- und Drogenhilfe sind weiterhin telefonisch (05241/ 99407-0) oder per E-Mail (suchtberatung(at)caritas-guetersloh.de) zu erreichen.

Weiterführende Internetlinks:

Nacoa – Interessensvertretung für Kinder aus Suchtfamilien e.V.

Drogenberatung Wesel – Projekt FitKids: www.fitkids.de

Drogenhilfe Köln e.V. – Projekt KidKit: www.kidkit.de

Deutscher Kinderschutzbund: www.deutscher-kinderschutzbund.de

Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend:

Corona und Kinder aus suchtbelasteten Familien

David Hoppe

Nicola Bals