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Caritas-Mitarbeiterin hilft: Grab des gefallenen Bruders nach 73 Jahren gefunden

Von einem Happy End zu sprechen, wäre nicht ganz passend. Dafür hat die Geschichte, die der 85-jährige Heinz Sandfort aus Wiedenbrück erlebte, zu traurig angefangen. 1944 wurde sein damals 22 Jahre alter großer Bruder Konrad im Krieg getötet. Lange war unklar, wo er beerdigt worden ist. Erst seit diesem Sommer hat Heinz Sandfort Gewissheit – dank der Hilfe von Pflegefachkraft Christin Kowalski, die den 85-Jährigen in der Caritas-Tagespflege Wiedenbrück betreut.

Doch der Reihe nach: Der Zweite Weltkrieg war im vollen Gange, da meldete sich der lebenslustige Tischler und Motorrad-Fan Konrad Sandfort gemeinsam mit ein paar Kumpels freiwillig zur Wehrmacht. Den Eltern schwante Böses. „Mein Vater hat geschimpft wie ein Rohrspatz“, erinnert sich Heinz Sandfort. Doch es half nichts – sein großer Bruder Konrad ließ sich in das „Fallschirm-Flak-Regiment Hermann Göring“  einziehen. Beim späteren Heimaturlaub sah Heinz Sandfort seinen Bruder noch einmal. Aber irgendwann kam keine Feldpost mehr. Nach zwei, drei Monaten bohrte die Familie nach und hatte bald traurige Gewissheit. Man teilte ihr mit: Am 29. Juli 1944 wurde Konrad Sandfort im polnischen Boroweck (fünf Kilometer südöstlich von Warschau) durch Granatsplitter tödlich verwundet. Das Einzige, was der Familie von Konrad blieb, waren Soldbuch, Brieftasche, Brustbeutel, Ring, Armbanduhr – und ein Rosenkranz. 12 Jahre war Heinz Sandfort damals alt, als ihm sein Bruder entrissen wurde.

In einem Ort namens Wielgolas, an der dortigen Kapelle, seien die sterblichen Überreste der Gefallenen verscharrt worden, berichtet Heinz Sandforts Ehefrau Anna (83). „In aller Hektik“, sagt sie. Deshalb blieb es wohl  zunächst ein Rätsel, wo der Soldat begraben lag. Jahrzehntelang versuchten die Sandforts immer wieder, mehr über das Schicksal des Obergefreiten herauszubekommen. Als ein Nachbar 1997 Kontakt zum Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge aufnahm, keimte noch einmal Hoffnung auf. Aber auch diese Spur verlief im Sand.

Heinz Sandfort musste 85 Jahre werden, ehe die tragische Geschichte eine entscheidende Wende nahm. In der Caritas-Tagespflege Wiedenbrück lernte Heinz Sandfort Christin Kowalski kennen. Als Pflegefachkraft betreut die 27-Jährige die Tagesgäste. „Sie kommen doch sicher aus Polen“, fragte der charmante Senior irgendwann frei heraus. Damit lag er nicht ganz falsch. „Meine Oma ist Deutsche, mein Opa kommt aus Polen – sie sind damals zusammen nach Gütersloh geflohen“, erklärt Christin Kowalski.

In allen Einzelheiten erzählte Heinz Sandfort ihr von dem Schicksal seines Bruders. Gemeinsam entwickelten sie die Idee, noch einmal eine Recherche zu starten. „Für mich war das ein totaler Vertrauensbeweis“, freut sich Christin Kowalski. Und so kam Tempo in die Sache. „Ich habe meinen Cousin kontaktiert und um Hilfe gebeten. Er wohnt seit zwei Jahren wieder in Polen“, berichtet Christin Kowalski. Gut eine Woche Arbeit investierte der Cousin, flog sogar von seinem Wohnort Krakau nach Warschau, um Nachforschungen anzustellen. Er erfuhr, dass es die Kapelle in Wielgolas nicht mehr gab, man die Gefallenen aber nach Warschau überführt hatte. Und tatsächlich fand Christin Kowalskis Vetter dort die letzte Ruhestätte von Konrad Sandfort: ein großes Steinkreuz und mehrere dicht beschriebene Tafeln. Auf einer steht auch der Name „Konrad Sandfort“.

Christin Kowalksi schildert den Moment, als sie Heinz Sandfort die Nachricht überbrachte: „Er hat sich total gefreut. Er hat natürlich geweint, aber er war total dankbar.“ Gerne würde Heinz Sandfort nach Warschau reisen, um die Grabstätte zu besuchen. „Wenn ich fit wäre, würde ich das machen.“ Allein, die Folgen eines Schlaganfalls lassen dies nicht zu. Dennoch kann Heinz Sandfort nun zufriedener in den Tag blicken: Zu wissen, wo sein Bruder ruht, bedeutet für ihn, mit der Geschichte abschließen zu können. „Ich habe jetzt mehr Ruhe im Herzen.“

Weitere Infos gibt es bei der Caritas-Tagespflege Wiedenbrück unter Tel. 05242/4054830.

Ruhe im Herzen: Heinz Sandfort weiß jetzt dank Caritas-Mitarbeiterin Christin Kowalski (2. v.r.), wo sein 1944 gefallener Bruder Konrad beerdigt ist. Mit im Bild: Anna Sandfort (rechts) und Elke Watermann-Bruns (Leiterin der Caritas-Tagespflege Wiedenbrück).

Konrad Sandfort fiel 1944 im Zweiten Weltkrieg