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Siegelverleihung: Nachhaltige Suchtvorbeugung im Spielzeugfreien Kindergarten

Kreis Gütersloh. Wenn Kindertageseinrichtungen für drei Monate auf sämtliches Spielzeug verzichten, dann setzen sie zum einen den sog. "Spielzeugfreien Kindergarten" um und leisten damit zum anderen einen wertvollen Beitrag zur Suchtvorbeugung bei Kindern. Und für dieses langjährige Engagement wurden nun sieben Kindertageseinrichtungen mit dem Siegel „Nachhaltige Suchtvorbeugung“ der Caritas Fachstelle für Suchtvorbeugung ausgezeichnet.

„Kinder werden schon früh von Konsum geprägt und von Erwachsenen wird heutzutage alles unternommen, damit Kinder Langeweile nicht erleben müssen. Dabei ist Langeweile nicht nur ein wichtiger Motor für kreative Ideen, es ist auch ein wichtiges Gefühl, neben Wut, Angst, Freude und Trauer, mit denen sie lernen müssen angemessen umzugehen“, erklärt Lars Riemeier von der Caritas den Hintergrund des Projekts. „Und wir wissen aus Forschung und Praxis, dass ein unangemessener Umgang mit Langeweile bzw. den anderen Gefühlen, sich später zu einem riskanten oder abhängigen Konsumverhalten von Alkohol, Medien oder Drogen entwickeln kann. Dann werden Substanzen eingesetzt, um sich ein ungutes Gefühl wegzumachen und sich in einen besseren Gefühlzustand zu begeben.“ Insbesondere im Kindergartenalter werden hierzu wichtige Entwicklungsschritte vollzogen. Mit dem Projekt „Spielzeugfreier Kindergarten“, in dem Kinder ohne vorgefertigte Spielmaterialien miteinander neue Spielideen entwickeln, werden entsprechende schützende Fähigkeiten bei den Kindern gefördert.

Was sich erst einmal radikal und widersprüchlich anhört (Kindergarten ohne Spielzeug?) gelingt in der Praxis sehr gut: „Die Kinder spielen intensiv miteinander und vermissen in der Regel das Spielzeug nicht“, erklärt Simone Brüggemeier, Leitung des Kath. Kindergartens St. Franziskus in Verl. Ihre Einrichtung arbeitet mit dem Projekt seit 2018 und wurde daher auch mit dem Siegel ausgezeichnet. Marleen Harre, Leitung des Evang. Kindergartens Sonnenschein in Rheda stimmt ihr zu. Ihre Einrichtung war vor über 20 Jahren die erste Einrichtung im Kreisgebiet, die dieses sucht- und gewaltpräventive Projekt umsetzte.

„Dabei ist es für uns als Erzieherinnen auch zunächst eine Herausforderung, sich auf unsere neue Rolle einzulassen“, weiß Marietta Arens vom Adolph-Kolping-Kindergarten in Verl. „Wir sind in der Zeit nicht mehr dafür verantwortlich, was die Kinder spielen. Dafür können wir aber viel näher bei diesen sein und können viel mehr mitspielen, sie beobachten und begleiten.“

Und auch Eltern nehmen den Spielzeugfreien Kindergarten wahr. Katrin Grunwald (Leitung der Kita Laubhütte in Stukenbrock): „Manche Kinder finden das veränderte Spiel in der Zeit so toll, dass sie es am liebsten auch zuhause weiterführen wollen. Andere wollen in der Zeit gar nicht in den Kindergarten.“ Und ihre Leitungskollegin aus der Kath. Kita Abt Kruse ergänzt: „Nicht alle Familien können etwas mit dem Projekt anfangen. Inzwischen haben wir aber auch Eltern, die ihre Kinder ganz gezielt bei uns aufgrund des Projektes anmelden.“

Der Spielzeugfreie Kindergarten wurde 1992 im bayerischen Landkreis Weilheim-Schongau entwickelt und in den folgenden Jahren durch die Aktion Jugendschutz Bayern begleitet und wissenschaftlich evaluiert. Seit 2005 begleitet die Fachstelle für Suchtvorbeugung das Projekt „Spielzeugfreier Kindergarten“ regional. Und inzwischen gehört der Spielzeugfreie Kindergarten auch zum Baustein „Gesund aufwachsen“ der Landeskampagne „Sucht hat immer eine Geschichte“. Dabei finden sich spielzeugfreie Elemente inzwischen auch in vielen verschiedenen Präventionsprojekten für den Elementarbereich wieder (u.a. „Papilio“ oder „Starke Kinder – gute Freunde“).

Die Fachstelle für Suchtvorbeugung des Caritasverbandes für den Kreis Gütersloh e.V. verleiht seit 2021 das Siegel an regionale Institutionen für ihre Angebote zur nachhaltigen Suchtvorbeugung. Damit sollen insbesondere präventive Ansätze hervorgehoben und unterstützt werden, die ansonsten keine große Öffentlichkeitswirkung erzielen, dennoch aber suchtvorbeugend sehr wertvoll sind. In diesem Jahr gingen die Siegel gleich an sieben Kindertageseinrichtungen in vier Kommunen: Kath. Kita St. Christina (Herzebrock-Clarholz), Evang. Kita Sonnenschein (Rheda-Wiedenbrück), Kath. Kita St. Benediktus (Rietberg-Varensell), Evang. Kita Laubhütte (Schloß Holte- Stukenbrock), Adolph-Kolping-Kindergarten (Verl), Kita St. Franziskus (Verl) und Kath. Kita Abt Kruse (Schloß Holte- Stukenbrock).

Im Rahmen der diesjährigen Feierstunden hatten auch interessierte Kindertageseinrichtungen die Möglichkeit sich über das Projekt zu informieren und mit den Projektkitas ins Gespräch zu kommen. Darüber hinaus wurden auch weitere Angebote für den Elementarbereich vorgestellt: Kita-MOVE (Gesprächsführung mit Eltern) und "Starke Kinder - gute FREUNDE". Unterstützung erhielt das Team der Fachstelle dabei von Ruth Ndoup-Kalajian (Landesfachstelle Suchtvorbeugung NRW) und Uwe Holdmann (Fachstelle für Suchtvorbeugung Herford).