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Starkes Signal aus Rheda-Wiedenbrück

Starkes Signal aus Rheda-Wiedenbrück: Der Rat der Gemeinde hat in seiner Sitzung am 30. März zusätzliche Gelder in Höhe von 500.000 Euro für außergewöhnliche Aufwendungen freigegeben. Dieses Geld soll dort helfen, wo durch die Corona-Pandemie Mehraufwendungen anfallen – zum Beispiel im sozialen Bereich. Die Arbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtverbände (AG Wofa) im Kreis Gütersloh begrüßt den Beschluss. „Wir hoffen, dass nun auch die anderen Städte und Gemeinden im Kreis nachziehen“, sagt Björn Neßler, Vorsitzender der AG Wofa und Vorstand der Diakonie Gütersloh. Denn gerade, was die sozialen Leistungen gemeinnütziger Organisationen angeht, reiche der Rettungsschirm vom Bund nicht aus. In der Pflege hingegen hoffe man, dass der Bund über das Krankenhaus-Entlastungsgesetz echte Hilfen schafft.

Das Problem der Freien Wohlfahrtspflege ist die Gemeinnützigkeit ihrer Unternehmen. Denn als gemeinnützige Organisationen dürfen diese weder nennenswerte Rücklagen bilden noch Gewinne erwirtschaften. Überschüsse müssen sie zeitnah wieder in soziale Projekte investieren. Das heißt: Es gibt keine Ersparnisse, auf die sie zurückgreifen können, wenn Einnahmen wegbrechen. Das trifft zum Beispiel das Sozialpädagogische Institut Gütersloh e.V. (SPI). Dieses werde derzeit von der Sorge geplagt, 40 Prozent seiner Kosten nicht mehr decken zu können, berichtet Julia Stegt, Geschäftsführerin des Paritätischen Kreis Gütersloh sowie stellvertretende Vorsitzende der AG Wohlfahrt. „Im schlimmsten Fall müssten die sozialen Dienste, die hinter diesen Kosten stehen, ganz aufgegeben werden.“ Schnelle Klarheit und Verbindlichkeit von öffentlicher Seite, dass die Finanzierung erhalten bleibt, seien deshalb jetzt das Wichtigste – auch, damit den Einrichtungen die Fachkräfte nicht wegbrechen. Das SPI habe bereits Kurzarbeit angezeigt.

Das Problem mit dem Rettungsschirm bzw. konkret dem neuen Sozialdienstleister-Einsatzgesetz: Zum einen werden nur bis zu 75 Prozent der Ausfälle erstattet, da der Bund davon ausgeht, dass sich für die Dienstleister Personal- und Sachkosten (z.B. Mieten) reduzieren. Dies ist aber nicht zwingend so. „Und natürlich wollen wir Kündigungen nach Möglichkeit vermeiden – denn auch wenn jetzt vielleicht Leistungen nicht gefragt werden, werden wir die Fachkräfte in Zukunft wieder brauchen. Und dann fehlen sie“, so Stegt. Gleichzeitig bedeute die Quote, dass die Dienstleister einen nicht unerheblichen Teil der Verluste selbst tragen müssen. Und angesichts besagter fehlender Rücklagen, geraten dadurch vor allem kleinere Träger in eine existenzbedrohende Lage. 

Doch auch die größeren Träger profitieren wenig bis gar nicht vom Sozialdienstleister-Einsatzgesetz. Denn Entschädigungen werden erst gezahlt, sollte ein Dienstleister in seinem Bestand gefährdet sein. Konkret heißt es dazu im Gesetzestext: „Soweit ein Dienstleister seine originären Aufgaben auch in der Coronavirus-SARS-CoV-2-Krise weiter erfüllt und dafür Vergütungen erhält, ist die Inanspruchnahme des Sicherstellungsauftrages (…) nicht erforderlich.“ 

„Natürlich gehen die großen Träger auch in einer solchen Krise nicht direkt in die Insolvenz, zumal wir ja nicht nur soziale Dienstleistungen, sondern auch Pflege anbieten“, erläutert dazu Björn Neßler. „Aber erstens ist eine Quersubventionierung der Beratung durch die Pflege nicht überall erlaubt. Zudem erwirtschaften wir als gemeinnützige Organisationen nur so viel Gewinn, um beispielsweise Tariferhöhungen auffangen zu können. Wenn nun Einnahmen aus den Beratungsbereichen ein- oder sogar wegbrechen, ist das sogar für die großen Sozialdienstleister ein Problem.“ 

Ähnlich sieht das Volker Brüggenjürgen, Vorstand des Caritasverbands für den Kreis Gütersloh und ebenfalls Mitglied der AG Wohlfahrt. „Wir tun alles, um die soziale Infrastruktur im Kreis Gütersloh aufrechtzuerhalten. Aber natürlich können wir nicht ausschließen, dass Angebote infolge der Pandemie sprichwörtlich unter die Räder geraten. Deswegen hoffen wir umso mehr, dass andere Städte und Gemeinden im Kreis mit Rheda-Wiedenbrück gleichziehen und sich dafür einsetzen, die soziale Infrastruktur zu erhalten. Hier lässt der Rettungsschirm die kommunale Ebene leider im Regen stehen.“ Hoffnung setzt die AG Wofa vor diesem Hintergrund auch in das angekündigte Ausführungsgesetz des Landes NRW, das das Sozialdienstleister-Einsatzgesetz ergänzen soll. „Wir hoffen hier auf weitergehende Regelungen als dies auf Bundesebene der Fall ist“, so Volker Brüggenjürgen. 

Gespannt sehen die Träger der Freien Wohlfahrt hingegen dem Rettungsschirm für die Pflege entgegen, dem sogenannten Krankenhausentlastungsgesetz. „Hier hat der Bund auf den ersten Blick wichtige Hilfen auf den Weg gebracht“, betont Björn Neßler. „Unsicher sind wir noch, ob die Umsetzung nun auch so unbürokratisch und umfassend erfolgt, wie es erscheint. Einige Fragen sind tatsächlich noch ungeklärt – zum Beispiel, ob Kurzarbeit immer eine Voraussetzung zum Erhalt der Hilfen ist. Kurzarbeit wollen wir aber auch vor allem im Sinne der Mitarbeitenden nach Möglichkeit vermeiden.“ Schwierig sei auch, dass die genaue Ausführung noch unklar sei. So solle es erst Ende der Woche nähere Infos zum genauen Antragsverfahren geben. „Einerseits ist das angesichts der Kürze natürlich voll verständlich“, so Neßler. „Andererseits können kleinere Träger mit Pech die Verluste aus dem Vormonat März dann  nicht geltend machen – das wäre schlimm.“ Hier wolle die AG Wofa sich deswegen mit einem Urteil noch zurückhalten, bis alle Details geklärt sind.