Für die heimischen Landwirte endet eine Ära – für den Caritasverband im Kreis Gütersloh beginnt ein neues, spannendes Projekt: Der katholische Wohlfahrtsverband hat das geschichtsträchtige „Haus des Bauern” an der Bielefelder Straße in Rheda-Wiedenbrück gekauft und wird es ab 2017 für seine Beratungsdienste nutzen. Vertreter von Landwirtschaft und Caritas stellten der Presse nun die Pläne für die Übergangszeit vor. Bei aller Wehmut über den nahenden Abschied geizte Kreislandwirt Heiner Kollmeyer nicht mit Lob für den neuen Eigentümer: „Einen besseren Käufer als die Caritas hätten wir uns nicht wünschen können.”
Noch sind der Landwirtschaftliche Kreisverband, der Betriebshilfsdienst und die Landwirtschaftliche Buchstelle im Haus des Bauern untergebracht. Laut Caritas-Vorstand Volker Brüggenjürgen ist vereinbart worden, dass sie das Gebäude bis 2017 weiter wie bisher nutzen können. „Als Caritasverband war es uns immer wichtig, dass es einen einvernehmlichen Übergang gibt”, so Brüggenjürgen.
Der Caritas-Vorstand versicherte: „Wir wollen den Namen, Haus des Bauern‘ so beibehalten.” Die Geschichte des Hauses werde „für die Besucher sichtbar” bleiben. Worte, die Kreislandwirt Kollmeyer gerne hörte: „Dieser Sprachgebrauch gefällt uns. Das passt.”
Geschichte atmet das markante Gebäude reichlich: 1937 war das Haus des Bauern vom so genannten „Reichsnährstand” – ein vom Nazi-Regime kontrolliertes landwirtschaftliches Verwaltungsgremium – nach zweijähriger Planungs- und Bauzeit eröffnet worden. Seither war das Haus von der heimischen Landwirtschaft unter anderem als Schulungs- und Ausbildungszentrum genutzt worden. Der markante Bau, dessen Fassade zu 90 Prozent im Ursprung erhalten ist, steht zu zwei Dritteln unter Denkmalschutz. Das Gebäude ist eines der wenigen noch bestehenden seiner Art in Westfalen-Lippe.
Caritas-Vorstand Volker Brüggenjürgen sagte, der Zuschnitt des Gebäudes bleibe im Wesentlichen erhalten: „Wir wollen es für die Nutzer jedoch etwas einheitlicher gestalten, um die Orientierung zu vereinfachen.” Im Querflügel, der den historischen Teil mit dem etwas neueren Anbau verbindet, soll nach Brüggenjürgens Worten ein Fahrstuhl eingebaut werden, um das Obergeschoss behindertengerecht zu erschließen. Die Gesamtsumme der Investitionen bezifferte er auf ca. 900.000 Euro.
Die Pläne sehen vor, dass die Caritas am neuen Standort ihre Beratungsservices in den Bereichen Familie und Erziehung, Drogen und Sucht und Hilfe bei sexualisierter Gewalt anbietet. Derzeit sind diese Dienste im Haus der Caritas an der Bergstraße angesiedelt. Wenn alles fertig ist, sollen die Mitarbeiter en bloque umziehen. Auch das Familienzentrum wird dann sein Domizil im Haus des Bauern haben. Die Caritas plant, die alte Knöbel-Villa an der Bergstraße zu veräußern und den Kauferlös in das neu erworbene Objekt zu reinvestieren.
Ulrich Bultmann, Geschäftsführer der Kreisstelle der Landwirtschaftskammer, betonte, dass die Landwirtschaft über die Anschlussnutzung, wie sie die Caritas plane, froh sei: „Sie sehen mich nicht im schwarzen, gedeckten Anzug. Das ist für uns heute kein Trauertag.” Joachim Klack, stellvertretender Vorsitzender des landwirtschaftlichen Kreisverbandes, unterstrich: „Wir sind froh, dass wir bis 2017 bleiben dürfen.”